Das Konzept der Leica M6

 Anmerkungen zu einer ungewöhnlichen Kamera

Die Leica M 6 ist ein besonderer Fotoapparat. Sie ist ein Außenseiter und weckt nicht nur wegen ihres hohen Preises so manche Begehrlichkeiten. Das M System ist inzwischen ein Teil der Fotogeschichte geworden, dass man heute noch kaufen kann.

«Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
die eine will sich von der anderen trennen.»
J.W. Goethe


Übersicht

Sucherkamera
Schnelligkeit?
Manuelle Einstellung vs. Automatik
Unabhängigkeit und Selbstbetrug
M 6 - Warum?

 

 Sucherkamera

Sucherkamera vs. Spiegelreflex

Bei den Leica M Kameras handelt es sich um Messsucherkameras, daher das «M». Die durch das Konzept einer Sucherkamera entstehenden Einschränkungen sind jedem kundigen Fotografen bekannt: Der Blick durch den Sucher gibt nicht das exakte Bild wieder, wie es später auf den Film belichtet wird. Dies betrifft sowohl den Ausschnitt als auch die Verteilung der Schärfe. Hinzu kommen die Einschränkungen bei der Verwendung von Filtern: Die durch Filter hervorgerufenen Effekte sind im Sucher nicht nachvollziehbar. Dies würde ich jedoch nicht als Mangel der Kamera verstehen, zumal sich durch das Sucherprinzip auch Vorteile ergeben. Kurz gesagt: Es wäre unfair, einer Sucherkamera vorzuwerfen, sie sei keine Spiegelreflex.

Motiv sichtbar während des Auslösens

Ein Vorteil des Sucherprinzips ist z.B. die Möglichkeit, das Motiv auch während des Auslösens betrachten zu können. Dies kann ganz erheblich zur Beruhigung des Fotografen beitragen, denn er weiß auf diese Art genau, was im Augenblick des Auslösens auf den Film gebannt wird. Er kann es sehen. Bei einer Spiegelreflexkamera kann sich dagegen das Gefühl einstellen, den entscheidenden Moment verpasst zu haben. Während der Belichtung ist bei der Spiegelreflexkamera das Motiv nicht zu sehen. Dies ergibt sich aus dem Bauprinzip: während der Aufnahme versperrt der hochgeklappte Spiegel die Sicht auf das Motiv. Eine Messsucherkamera hat diesen Nachteil nicht. Vor, während und nach dem Belichten sieht der Fotograf sein Motiv.

 

 Schnelligkeit?

Nachführen

Für die Leica wird oft das Argument der Schnelligkeit bei der Bedienung angeführt. Dies kann ich nicht ganz verstehen. Die Kamera besitzt keine automatischen Funktionen. Der einzige Luxus besteht in einem eingebauten Belichtungsmesser, bzw. in den neuesten Modellen zusätzlich in einer TTL-Blitzlichtautomatik. Ansonsten ist bei der M6 «Handarbeit» gefragt. Die Entfernung wird per Hand eingestellt, die Belichtung durch Veränderung der Zeit und Blendenwerte bis zum gewünschten Wert eingepegelt. Komfortabel ist das nicht. Es gibt aber Fotografen, die meinen, dass diese Art der Wahl der Belichtungseinstellung ganz besonders schnell sei, da nur einmal der passende Wert für die jeweilige Beleuchtungssituation eingestellt werde und man ab diesem Zeitpunkt sich nicht mehr darum kümmern müsse. Das mag für viele Situationen zutreffen, in denen die Belichtungsverhältnisse konstant sind oder konstant auf den Film gebannt werden sollen. Jedoch gibt es häufiger Änderungen bei der erwünschten Belichtung, z.B. durch eine andere Wahl des Ausschnitts, welche dann umständlich von Hand nachgeführt werden muss.

Zeitautomatik?

Die M6 hat keine Belichtungsautomatik. Die M6 würde ganz erheblich gewinnen, wenn sie eine Zeitautomatik hätte. Diese wäre technisch nicht besonders aufwändig, da im Gegensatz zu einer Blendenautomatik oder Programmautomatik keine neuen Objektive notwendig sind. Damit könnte diese Leica in das bestehende System eingegliedert werden.

(Inzwischen gibt es eine M7 mit Zeitautomatik. (Und wieder inzwischen gibt es sogar eine digitale M8) Informationen unter: http://de.leica-camera.com/photography/m_system/)

  

 Manuelle Einstellung vs. Automatik

Back to the roots

Viele Fotografen begrüßen die Tatsache des manuellen Einstellens. Tatsächlich führt dies wieder zu den Ursprüngen der Fotografie. Angesichts der heute üblichen Multiautomaten mit ihrer schwer zu überblickenden Funktionsvielfalt, kann ich diese Besinnung auf die Wurzeln gut verstehen. Wer sich mit der Fotografie im Allgemeinen auskennt, dem wird eine Kamera wie die Leica M6 keine besonderen Rätsel aufgeben. Sie ist übersichtlich und ohne Schickschnack ausgestattet. Auch ohne das intensive Studium der Gebrauchsanleitung wird man sofort mit dem Fotografieren loslegen können. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Faktor. Die Fotografie muss Spaß machen, nur dann können gute Fotos entstehen. Es klingt banal, aber wer seine Kamera nicht gern in die Hand nimmt, weil sie ihm zu technisch, zu undurchschaubar ist, wird auch keine guten Fotos machen.

Keine Panik

So gesehen ist die manuelle Steuerung kein Nachteil. Bewusst sollte man sich aber sein, dass sie dadurch nur für eine bestimmte Art von Fotografie geeignet ist. Schnelle Actionfotografie scheidet mit dieser Kamera aus.

 

 Unabhängigkeit und Selbstbetrug

Fotos ohne Spannung?

Die völlig manuelle Steuerung der Kamerafunktionen eröffnet die heute seltene Möglichkeit, auch ganz ohne Batterien zu fotografieren. Dies kann dann interessant sein, wenn die Kamera unter Extrembedingungen eingesetzt wird. Zum einen ist die M6 von ihrer technischen Seite gut für solche Abenteuer gerüstet und wird sich z.B. durch ein besonders heißes oder kaltes Klima nicht aus der Ruhe bringen lassen. Zum anderen ist in diesen Fällen die Unabhängigkeit von einer Stromversorgung beruhigend, auch wenn sie nicht genutzt wird. Ein bisschen Selbstbetrug ist natürlich auch dabei. Denn ohne Batterie in der Kamera fotografiert man ohne den eingebauten Belichtungmesser. Die Belichtung muß in diesem Fall also geschätzt werden. Zu professionellen Ergebnissen wird man damit aber nur bei der Verwendung von Negativmaterial und einer gewissen Erfahrung bei der Abschätzung der Lichtverhältnisse kommen. Bei der Belichtung von Diafilmen muß die Belichtung auf den Punkt genau sitzen. Auch eine langjährige fotografische Erfahrung kann hier den Belichtungsmesser nicht ersetzen.

Einen Ausweg bietet hier nur der externe Belichtungsmesser welcher ohne Batterien auskommt. Ein solcher Belichtungsmesser passt wunderbar zum Konzept der M6. In diesem Fall besteht tatsächlich völlige Unabhängigkeit vom elektrischen Strom auch bei der Verwendung von Diafilmen.

Einmal volltanken...

Eine ganz andere Frage ist natürlich, ob man diese Unabhängigkeit überhaupt will: es ist entschieden leichter und kostengünstiger sich Ersatzbatterien in die Tasche zu stecken, als einen stromunabhängigen Belichtungsmesser einzupacken. Zudem verlangsamt die Verwendung eines externen Belichtungsmessers die Fotografie zusätzlich. Aber wie oben schon angedeutet ist dies vor allem eher eine psychologische Frage: man könnte, wenn man wollte...

 

 M 6 - Warum?

aus Leica Gebrauchsanweisung von 1936Die M 6 bleibt trotz ihrer Nachteile eine faszinierende Kamera. Jedem Kenner ist die lange Geschichte der Kamera als Wegbereiter der modernen Forografie bekannt. Sie ist «die» Kleinbildkamera. Sie ist gut verarbeitet und es macht einfach Freude, sie in die Hand zu nehmen. Abschließend möchte ich zugeben, dass ich leider keine besitze. Erfreulicherweise konnte ich jedoch mit einer Leica Standard von 1932 arbeiten, welche tadellos ihren Dienst tat. Überraschend und faszinierend zugleich, wie (relativ) gering die Unterschiede zwischen den alten Modellen und den aktuellen sind.

Ich lade alle M 6 Besitzer herzlich ein, ihre Ansichten mitzuteilen.

 

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http://www.causse.de - Stand: 10. Juni 2009